Dienstag, 21. Februar 2012

"Ich denke, da muss ein Zeichen gesetzt werden"

Vier Tage nachdem Herr Köhler am 31.05.2010 vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten war hatten CDU, CSU und FDP Herrn Wulff (CDU, damals Ministerpräsident des Landes Niedersachsen) als ihren Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten vorgestellt.

Im dritten Wahlgang wurde Herr Wulff am 30. Juni 2010 zum Bundespräsidenten gewählt. Unmittelbar darauf trat er von seinem Amt als niedersächsischer Ministerpräsident zurück.

Im Vorfeld der Wahl hatte Herr Wulff am 21.06.2010 in der ZDF-Sendung "Was nun?" in einem Interview mit Herrn Frey (ZDF, Chefredakteur) und Herrn Hahne (ZDF, Politbarometer) unter anderem auch auf Fragen zum Thema "Ehrensold des Bundespräsidenten" geantwortet:
Herr Frey :
"Man spricht ja nicht gern über Geld, Herr Wulff. Aber ein Ehrensold von 200000 Euro im Jahr, der Ihnen dann zusteht, außerdem Büro, Dienstwagen, Referenten, das dann schon mit 56 oder 61, jenachdem ob Sie in eine zweite Amtszeit hineingehen oder nicht - passt das eigentlich in die Zeit, oder müssten Sie nicht ein Zeichen fürs Sparen setzen."

Herr Wulff:
"Ich denke, da muss ein Zeichen gesetzt werden. Das wird man verhindern müssen, aber diese Frage, die wird sozusagen, finde ich jedenfalls, berechtigt gestellt und sie muss auch beantwortet werden."

Herr Frey :
"Verändert werden müssen - in welche Richtung?"

Herr Wulff:
"Dass man dort Abstriche vornimmt."

Herr Hahne:
"Auch finanziell?"

Herr Wulff:
"Ja sicher."

Ein Video mit einem Ausschnitt aus dem Interview ist in der Mediathek des ZDF zu sehen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover am 16. Februar 2012 beim Immunitätsausschuss des Bundestags wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsnahme einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten gestellt hatte, erklärte Herr Wulff am Tag darauf seinen sofortigen Rücktritt. Damit endete seine Bundespräsidentschaft nach nur 598 Tagen.

Und wie steht Herr Wulff heute zum Thema Ehrensold des Bundespräsidenten? Wird er auf der Zahlung bestehen? Oder wird er sich vielleicht an seine Worte vom Juni 2010 erinnern und auf einen Teil der knapp 200000 Euro verzichten? Oder zumindest solange, bis es zu einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft bezüglich ihrer Ermittlungen gegen ihn gekommen ist?

Darüber, ob Herr Wulff überhaupt ein Anrecht darauf hat, gehen die Ansichten selbst unter Juristen derzeit offenbar weit auseinander. Auf der Internetseite der ZDF-Nachrichtensendung "heute" war am 20.02.2012 zu lesen, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sei in einer vertraulichen Expertise zu dem Schluss gekommen, dass Herrn Wulff der Ehrensold nicht zusteht.

Grundsätzlich haben ehemalige Bundespräsidenten auch bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Amt ein Anrecht auf den Ehrensold. Vorausetzung dafür ist, dass für den Rücktritt "politische oder gesundheitliche Gründe" vorliegen. Politische Gründe wären der zuvor genannten Expertise zufolge tiefe Differenzen mit der Regierung über die Außen- und Innenpolitik. Die habe es im Fall Wulff jedoch nicht gegeben.

Hochrangige Politiker der "etablierten" Parteien sehen das anders. Für Herrn Gröhe (CDU, Generalsekretär) ist es zum Beispiel selbstverstänlich, dass Herr Wulff den Ehrensold erhalten wird. Frau Nahles (SPD, Generalsekretärin) hält die Debatte darüber gar für "kleinlich". Na ja, es sind ja nicht ihre 200000 Euro, die dann Jahr für Jahr an Herrn Wulff überwiesen werden. Da kann man wohl ruhig großzügig sein. ich finde allerdings, wenn mit dem Geld zum Beispiel die Arbeitsstelle einer Pflegekraft, eines Lehrers oder einer Erzieherin finanziert werden würde, dann wäre es bedeutend sinnvoller angelegt.

Auch Herr Degenhart (Staatsrechtler aus Leipzig) sieht keine Grundlage für eine Aberkennung des Ehrensolds, weil nach seiner Auffassung persönliche und politische Gründe kaum zu unterscheiden seien. Persönliche Gründe für einen Rücktritt seien in irgendeiner Weise letztlich auch immer politische Gründe. Darüber, inwiefern beispielsweise eine für den Begünstigten persönlich vorteilhafte Finanzierung eines Eigenheims oder diverse kostenlose Ferienaufenthalte politisch begründet sein sollten, will ich hier aber lieber nicht spekulieren. Entgegen der Ansicht Herrn Degenharts hatte Herr von Arnim (Verwaltungsrechtsprofessor) am 17.02.2012 in der Talkshow von Günther Jauch gesagt, Herr Wulff sei im Kern aus persönlichen Gründen zurückgetreten. Daher dürfe er den Ehrensold nicht bekommen.


(Quellen: ZDF heute vom 20.02.2012, ARD-Tagesschau vom 18.02.2012, Dossier der Süddeutschen Zeitung "Christian Wulff - 598 Tage Bundespräsident", Wikipedia)

2 Kommentare:

Frau Momo hat gesagt…

Natürlich ist er aus persönlichen Gründen zurückgetreten, eben wegen persönlicher Fehltritte. Für mich gibt es da eigentlich keine zwei Meinungen, aber das dieser Raffke drauf verzichtet, steht ja wohl nicht zu erwarten.
Manchmal würde ich wirklich gerne meine Steuern kürzen dürfen, bzw. umverteilen.

juwi hat gesagt…

@Frau Momo: Die Idee ist mir auch schon so manches Mal durch den Kopf gegangen. Atomkraft, Beteiligung an Kriegen, chemieverseuchte Nahrung, genmanipuliertes Leben, Tierquälerei in der Landwirtschaft etc. wäre dann sicher bald kein Thema mehr.

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