Mittwoch, 10. Dezember 2014

Ein Geburtstagsgeschenk für Herrn Juncker

© Stop TTIP!
Pünktlich zum 60. Geburtstag Herrn Junckers (EU-Kommission, Präsident) hat die selbstorganisierte Bürgerinitiative "Stop TTIP!" gestern einen weiteren wichtigen Meilenstein erreicht: Auch das "Länderquorum" wird jetzt in der erforderlichen Anzahl von "mindestens sieben EU-Mitgliedsstaten" erfüllt.

Neben dem Kriterium "mehr als eine Million Unterschriften innerhalb von 12 Monaten", hängt der Erfolg einer Europäischen Bürgerinitiative davon ab, dass diese im gleichen Zeitraum in mindestens sieben EU-Mitgliedsstaaten von jeweils einer Mindestanzahl von Bürgern unterstützt wird. Dieses sogenannte "Länderquorum" orientiert sich an der Anzahl der Wahlberechtigten in den jeweiligen Staaten der EU.

Bereits nach nicht einmal ganz 2 Monaten seit dem Beginn der Unterschriftensammlung wurde vor fünft Tagen das erste Kriterium (mehr als eine Million Unterschriften) erreicht. Mit dem Länderquorum ist seit gestern auch das zweite wichtige Kriterium in trockenen Tüchern. Jede einzelne zusätzliche Stimme gegen CETA und TTIP, jeder einzelne zusätzliche EU-Staat, der das Länderquorum erfüllt, wird die EU-Kommission mehr und mehr unter Druck setzen.

Schon die bisher erreichten Länderquoren können sich sehen lassen: In mehr als der Hälfte der benötigten 7 EU-Staaten ist das erforderliche Länderquorum um mehr als das Doppelte überschritten worden - in zwei davon um mehr als das Dreifache (Großbritanien und Österreich). In Deutschland wird das Quorum sogar mehr als neunfach(!) "über"-erfüllt. In fünf weiteren Ländern der EU liegt die Quote derzeitig zwischen 59 und 94 Prozent (Schweden, Belgien, Spanien, Irland, Niederlande).

Die "Stop TTIP!"-Initiatoren sind der Meinung, das sei ein schönes Geburtstagseschenk für den EU-Kommissionspräsidenten. In einem Newsletter verkündeten sie gestern (Zitat):
".. Heute haben wir in Brüssel Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine besondere Überraschung bereitet. Dieser feiert nämlich heute seinen 60. Geburtstag und wir sind mit dabei. Wir fordern, die Verhandlungen zu TTIP und die Ratifizierung von CETA zu stoppen. .."


Herr Gabriel gegen den Rest Europas?

Herr Gabriel versucht uns weiszumachen, "dass ganz Europa CETA will". Die Süddeutsche Zeitung zitiert in dazu auf ihrer Internetseite in einem Artikel vom 27.11.2014 mit den Worten (Zitat):
"Wenn der Rest Europas dieses Abkommen will, (...) dann wird Deutschland dem auch zustimmen. Das geht gar nicht anders." 
Wenn meine Eltern einmal einen meiner Wünsche ablehnten und ich mit dem - eigentlich bekannterweise unwirksamen - Hinweis: "aber alle anderen Kinder machen das doch auch", versuchte dagegen zu argumentieren, dann entgegnete mein Vater in der Regel:
"Und wenn alle anderen Kinder in den Brunnen springen und darin ertrinken? Machst du das dann auch?"
Mit seiner Behauptung ignoriert Herr Gabriel, dass selbst seine eigene Partei die Investorenschutzklauseln im CETA-Vertragswerk ablehnt und dass "der Rest Europas" unter anderem auch Frankreich, Österreich und die Niederlande einschließt. Die Parlamente dieser Länder hatten sich schon vor den irreführenden Worten Herrn Gabriels eindeutig gegen die Investorenschutz-Klauseln im CETA-Vertragswerk ausgesprochen.

Aber vielleicht ist Herr Gabriel ja auch nur ein klein wenig vergesslich. In der Plenarsitzung des deutschen Bundestags am 25.09.2014 hatte er jedenfalls selbst noch einen ähnlichen Standpunkt vertreten, wie zuvor schon die Parlamente Frankreichs, Österreichs und der Niederlande, wobei er den Beschluss Österreichs ausdrücklich lobend erwähnte (Plenarprotokoll vom 25.09.2014, Seite 46, Zitat):
".. Gestern hat das österreichische Parlament - ich glaube, mit einer Zweidrittelmehrheit - .. beschlossen, dass sie ebenfalls weiterverhandeln wollen. .. Tun Sie .. bitte nicht so, als gäbe es keinerlei Chance, weiter zu reden! Das tun die Österreicher, das werden andere tun, und das werden auch wir machen. .. Der letzte Satz in der Positionierung [Anm. juwi: der Bundesregierung] vom 12. September lautet: In der jetzigen Fassung ist das Abkommen für Deutschland nicht zustimmungsfähig. .."
An der Fassung des Abkommens, die für Deutschland schon damals nicht zustimmungsfähig war, hat sich meines Wissens bis heute nichts geändert. So sahen das wohl auch die Delegierten auf der SPD-Regionalkonferenz des Bezirks Hessen-Süd. Herr Müller (SPD, Offenbach, Ortsverein Tempelsee-Lauterborn, Vorstandsvorsitzender) erinnerte diesbezüglich noch einmal daran, dass seine Partei sich erst im September klar gegen CETA positioniert hatte.

In einem Artikel vom 09.12.2014 zitiert "Die Welt" ihn auf ihrer Internetseite mit den Worten (Zitat): "Es kann nicht sein, dass unsere Beschlüsse nur eine Halbwertzeit von zwei Monaten haben. Unter Demokratie stelle ich mir etwas anderes vor. Das geht so nicht!" Auch die Behauptung Herrn Gabriels, ganz Europa sei für CETA, obwohl Frankreich, die Niederlande und Österreich sich dagegen ausgesprochen haben, brachte Herrn Müller offensichtlich "auf die Palme" ("Die Welt", Zitat):
"Wovon redet der Mann eigentlich? .. Hält er uns für blöd?"
Möglicherweise liegt Herr Müller mit seinem Ansatz zu dieser Fragestellung gar nicht so falsch ...

  • Ebenso wie ich fordern inzwischen mehr als 1,1 Millionen Bürger in Europa, dass die EU-Kommission unsere grundlegenden demokratischen Rechte und hohe europäische Standards im Umwelt- und Klimaschutz, im Verbraucherschutz und in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens nicht multinationalen Konzernen und internationalen Schiedsgerichten zum Fraß vorwirft, indem sie den Vertrag mit Kanada - inklusive ISDS - unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente in den EU-Staaten rechtsgültig abschließt.


Zum Weiterlesen
Pia Eberhardt, Blair Redlin, Cecile Toubeau

"CETA: Verkaufte Demokratie"
Wie die CETA-Regeln zum Schutz von
Investoren das Allgemeinwohl in Kanada
und der EU bedrohen

- Übersetzung: Anna Schüler -

Zusammenfassung der Studie
Veröffentlicht von:
  ● Association Internationale de Techniciens
  ● Experts et Chercheurs (Aitec)
  ● Arbeiterkammer Wien (AK Wien)
  ● Canadian Centre for Policy Alternatives (CCPA)
  ● Corporate Europe Observatory (CEO)
  ● Council of Canadians
  ● Canadian Union of Public Employees (CUPE)
  ● Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD)
  ● Forum Umwelt und Entwicklung
  ● Friends of the Earth Europe (FoEE)
  ● PowerShift
  ● Quaker Council for European Affairs (QCEA)
  ● Quebec Network on Continental Integration (RQIC)
  ● Trade Justice Network
  ● Transnational Institute (TNI)
  ● Transport & Environment (T&E)

Amsterdam / Berlin / Brüssel / Montreal / Paris / Ottawa / Wien
November 2014

Pia Eberhardt und Cecilia Olivet
mit Beiträgen von Tyler Amos und Nick Buxton

"Profit durch Unrecht"
Wie Kanzleien, SchiedsrichterInnen und Prozessfinanziererdas Geschäft mit dem Investitionsschutz befeuern
Die "leicht aktualisierte" deutsche Übersetzung der im November 2012 erschienenen Studie "Profiting from Injustice. - How law firms, arbitrators and financiers are fuelling an investment arbitration boom" wird von den Organisationen "Corporate Europe Observatory" (CEO), "Transnational Institute" (TNI), Campact und "Power Shift" herausgegeben.
(Stand der Recherche: September 2012)

Inhalt:
  • Wenn Investoren Regierungen verklagen:
    Ein lukratives Geschäft für die Schiedsgerichtsindustrie
  • Aasgeier in Anwaltsroben:
    Kanzleien auf der Suche nach neuen Klagemöglichkeiten
  • Wer wacht über die WächterInnen?
    Die konfligierenden Interessen der SchiedsrichterInnen
  • Spekulation mit Ungerechtigkeit:
    Die externe Finanzierung von Investor-Staat-Klagen
  • Ein trojanisches Pferd in der Wissenschaft:
    Untergräbt die Schiedsbranche unabhängige Forschung?
  • Fazit:
    Internationale Investitionsschiedsgerichtsbarkeit - eine lukrative Branche, gebaut auf der Illusion von Neutralität

Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, LL.M. (EUI)
Johan Horst, LL.M. (Georgetown)

Rechtsgutachten
Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für
das Comprehensive Economic and Trade Agreement
der EU und Kanada (CETA) 
Juristisches Kurzgutachten 
im Auftrag von attac/München
Zentrum für europäische Rechtspolitik (ZERP)
Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bremen
  • Die  Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass der Ende September 2014 veröffentlichte CETA-Vertragstext in mehrfacher Hinsicht EU-Recht und deutsches Verfassungsrecht verletzt!


Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA



(Quellen: Die Welt vom 09.12.2014, EU-Reporter vom 09.12.2014, Süddeutsche Zeitung vom 27.11.2014, Tiroler Tageszeitung vom 08.10.2014, Bundestag vom 25.09.2014 - Plenarprotokoll, Stop TTIP!, EU-Kommission - Die Europäische Bürgerinitiative )

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