Freitag, 26. September 2014

Das war der Gipfel

Peoples Climate March (New York City, © Foto: Daniela PQ)
Was Umweltschutzorganisationen, -initiativen und -verbände da am vergangenen Wochenende weltweit auf die Beine gestellt haben, ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Ich halte es durchaus für denkbar, dass der "Peoples Climate March" am 21.09.2014 einmal in den Geschichtsbüchern erwähnt werden könnte.

Das internationale demokratische Netzwerk AVAAZ zeigt auf seiner Internetseite beeindruckende Impressionen von den Demonstrationen in Melbourne und Sydney (Australien), London und Bristol (Großbritannien), Berlin und München (Deutschland), Paris (Frankreich), Barcelona (Spanien), Genua und Rom (Italien), Athen (Griechenland), Istanbul (Türkei), Delhi (Indien), Port Moresby (Papua-Neuguinea), Jakarta (Indonesien), Lomé (Togo), Trinidad und Tobago, Burundi, Nairobi (Kenia), Wilderness (Südafrika), Colombo (Sri Lanka), Kathmandu (Nepal), Ottawa (Kanada), New York und Honolulu (USA), Rio de Janeiro (Brasilien) und Bogotá (Kolumbien).

Fotos von den Titelseiten der weltweiten Presse, wie Haaretz (Israel), The Vancouver Sun (Kanada), The New York Times (USA), Buenos Aires Herald (Argentinien), Frankfurter Rundschau (Deutschland), El Pais (Spanien) oder La Stampa (Italien), dokumentierten, dass die Forderungen der Menschen rund um den Globus Gehör fanden.

Damit die Stimmen der Bürger der Welt auch beim UN-Klimagipfel nicht überhört wurden,  überreichte Herr Patel (AVAAZ, Geschäftsführer) in New York die Petition mit rund zwei Millionen Unterschriften an Herrn Ban Ki-moon (UN, Generalsekretär) - aktuell liegt die Zahl der Menschen, die sich der Petion angeschlossen haben, bei 2,2 Millionen Menschen! Und immernoch kommen weitere hinzu.

AVAAZ schreibt dazu, vor einigen Monaten habe sich die weltweite AVAAZ-Gemeinschaft ein verrücktes Ziel gesetzt: Die größte Klima-Mobilisierung aller Zeiten auf die Beine zu stellen - und am 21.09.2014 sei die verrückte Idee tatsächlich Wirklichkeit geworden. (Zitat): ".. Hunderttausende von Menschen sind in New York und an über 2000 weiteren Orten weltweit auf die Straßen gegangen. Mit unserer Aktion haben wir auf wunderbare Weise deutlich gemacht, wie sehr uns alles, was vom Klimawandel bedroht ist, am Herzen liegt. Wir haben außerdem die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass wir diese Welt retten und eine Gesellschaft aufbauen können, die zu 100 Prozent auf sauberen Energieträgern beruht. .."


Das war der Gipfel

Die "Debatte" ist vorüber! Die Fakten liegen auf dem Tisch. Der Beweis ist erbracht.
(© Foto: Peoples Climate)
Abgesehen von vagen Absichtserklärungen - oft nicht eimal das - war, im Gegensatz zu den Erwartungen der Menschen auf den Straßen der Welt, in den auf jeweils vier Minuten ausgelegten Beiträgen der mehr als 120 Staats- und Regierungschefs allerdings nichts wirklich neues zu hören gewesen.

  • Barack Obama (USA, Präsident):
    "Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt. Und wir sind die letzte, die etwas dagegen tun kann." Konkrete Klimaziele wolle er Anfang nächsten Jahres präsentieren, berichtete die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel auf ihrer Internetseite vom 23.09.2014.

    Von allen Herausforderungen - wie der Terrorismus, politische Instabilitäten, Ungerechtigkeiten oder Krankheiten - werde keine das Jahrhundert derart prägen, wie der Klimawandel. Die Tagesschau der ARD zitierte Herrn Obama am 24.09.2014 mit den Worten (Zitat): "Dieser Sommer war der heißeste, der je registriert wurde. Die Alarmglocken schrillen und die Bürger gehen auf die Straße. Wir können nicht so tun, als ob wir es nicht sehen, wir müssen reagieren."

    Immerhin: Die Botschaft ist angekommen. Herr Obama vergaß aber auch nicht hervorzuheben, welche Leistung die USA bereits erbracht hätten. Die taz zitiert ihn in einem Artikel vom 23.09.2014 mit den Worten (Zitat): "Kein Land hat in den letzten Jahren seine Kohlenstoffverschmutzung so sehr reduziert wie die Vereinigten Staaten. Die USA werden ihr Ziel erreichen, 17 Prozent weniger Treibhausgase als 2005 auszustoßen". Die Zeitung kommentiert seine Worte mit dem Hinweis darauf, dass eine Veringerung der Treibhausgaseemissionen um 17 Prozent gegenüber 2005
    wenig ambitioniert ist. Das angekündigte Ziel sei daher gut zu erreichen. Und irgendwie vermisse ich außerdem das Zieldatum, an dem die angekündigte Veringerung erreicht sein soll ...

    Allerdings muss man Herrn Obama wohl auch zugute halten, dass er ohne die Blockade der Republikaner sicherlich mehr erreicht hätte ...
  • Zhang Gaoli (China, Vizepremier):
    "China ist bereit, mit anderen Staaten zusammen Verantwortung zu schultern und eine bessere Zukunft für die Menschheit zu bauen."  China wolle sich als "verantwortlicher Staat" - entsprechend der eigenen "Fähigkeiten" - noch mehr als bisher engagieren. Was das Engagement konkret beinhalten soll, wolle die chinesische Regierung bald klären.

    Ich habe den Eindruck, das sich das große China mit dem Hinweis auf die eigenen Fähigkeiten künstlich klein reden will: Wer glaubhaft versichern kann, dass er zu schwach ist, der braucht auch nicht so viel zu leisten, wie die anderen ...

Das 300 Fuß lange "FloodWallStreet"-Banner (New York, © Foto: Jenna B. Pope )
    • José Manuel Barroso (EU-Kommission, Präsident):
      "Wachstum und Klimaschutz gehen Hand in Hand". Die Interpretation der Statistiken des Kommissionspräsidenten der EU besagt, das die Treibhausgas-Emissionen in der EU seit 1990 - trotz eines Wirtschaftwachstums im gleichen Zeitraum um 45 Prozent - um 19 Prozent zurückgegangen sind.

      Die Süddeutsche Zeitung merkt dazu allerdings an, dass die Bilanz ohne den Niedergang der Industrien in den östeuropäischen EU-Staaten längst nicht so positiv ausgesehen hätte. Nebenbeibemerkt hätte die Bilanz noch bedeutend besser ausfallen können, wenn CO2-Emissionen richtig viel Geld kosten würden, das dann in erneuerbare Energien investiert werden könnte ...
    • Angela Merkel (Deutschland, Bundeskanzlerin):
      "Vier Minuten absolute Stille" ... - Beim Klimagipfel glänzte Frau Merkel durch Abwesenheit.

      Sie hat natürlich auch geredet, aber eben nicht beim Klimagipfel. Was die ehemalige Klimakanzlerin von einem verbindlichen Beitrag zum Klimaschutz hält, hat sie stattdessen am 23.09.2014 mit einem Redebeitrag zum jährlich stattfindenden Tag der deutschen Industrie eindrucksvoll demonstriert: Der UN-Klimagipfel war in ihren Augen offensichtlich nicht der Rede wert.

      Frau Peter (Die Grünen, Parteivorsitzende) fand dazu die passenden Worte: "Die Absage zeigt, wie wenig die Bundesregierung mit Klimaschutz und internationaler Solidarität am Hut hat. Sie betreibt Klientelpflege statt Klimaschutz." Aus Sicht der Grünen ist die Absage Frau Merkels eine "Blamage für die deutsche Politik". Herr Ban Ki Moon hatte Frau Merkel mehrmals gebeten, seine Einladung zum Gipfeltreffen in New York anzunehmen.

      Erst am Nachmittag New Yorker Ortszeit - abseits der der großen Versammlungshalle, in einem Raum, wo Länder auf Ministerebene ihre Pläne vorstellten - verkündete stattdessen an ihrer Stelle Frau Hendricks (SPD, Bundesumweltministerin) unter anderem, die Bundeseigene Förderbank KfW werde künftig keine Kohlekraftwerke in Entwicklungsländern mehr finanzieren ... - was andererseits aber nicht heißt, dass die KfW keine Kohlekraftwerke mehr unterstützen wird. Außerdem sei eine Finanzspritze für den Fonds geplant, mit dem Entwicklungsländer beim Aufbau einer nachhaltigen, klimafreundlichen Wirtschaft unterstützt werden sollen. Ein verbindliches Klimaschutzpaket solle noch vor der UN-Konferenz in Lima im Dezember vorgelegt werden. Das berichtete die "Deutsche Welle" in einem Artikel vom 23.09.2014.

      Bis 2020 wolle Deutschland seine Emissionen, gemessen an 1990, um 40 Prozent senken. Aufgrund der verfehlten "Korrekturen" an der Energiewende sieht es derzeit jedoch danach aus, als würde Deutschland dieses Ziel wohl verfehlen: Da die Bundesregierung gegen den Widerstand der Bürger unbeirrt auf heimische Braunkohle setzt, anstatt den Ausbau von Wind und Solarenergie zu forcieren, haben die CO2-Emissionen wieder deutlich zugenommen. Frau Hendricks wolle deshalb zusätzliche Maßnahmen ergreifen, heißt es im Artikel der Deutschen Welle ...

    Der Teersand-Block im Peoples Climate March (New York, © Foto: Ethan Buckner)
      • Dilma Rousseff (Brasilien, Präsidentin):
        Frau Rousseff ging die Sache da schon direkter an: "Wir kündigen nichts an. Wir reden über Resultate." Frau Rousseff verwies auf die großen Fortschritte Brasiliens beim Schutz tropischer Regenwälder. Zwischen 2010 und 2020 würden so Emissionen von 650 Millionen Tonnen CO2 vermieden, was in etwa zwei Dritteln der gesamten deutschen CO2-Emissionen entspräche.

        Das angestrebte verbindliche Klimaschutz-Abkommen solle die Industrieländer stärker in die Pflicht nehmen als die Entwicklungsländer. Diese hätten das gleiche Recht auf Entwicklung, wie die reichen Industrienationen ...

        Das haben wir doch alles schon mehrfach gehört: Das Recht auf Entwicklung beinhaltet aber nicht, dass die Entwicklungsländer die gleichen fatalen Fehler blind wiederholen dürfen, welche die "entwickelten Industriestaaten" bereits gemacht haben. - Und was Frau Dilma beispielsweise auch nicht so gerne erwähnt: Brasilien arbeitet an weiteren, großflächigen Zerstörungen im Regenwald.

        Für den Bau des "Belo Monte Staudamms" dessen Wasser einmal ein gigantisches Wasserkraftwerk antreiben soll, sollen - unter Missachtung des Existenzrechts dort lebender indigener Völker, die auf den Wald angewiesen sind - 600 Quadratkilometer Regenwald geflutet werden. Wie die Organisation "Survival International" auf ihrer Internetseite schreibt, ist eine Reihe weiterer Megastaudämme im Regenwald geplant. Aber: Nein, darüber spricht Frau Rousseff lieber nicht ...

        Statt dessen macht sie deutlich, dass sie sich von künftigen Verpflichtungen für einen größeren Beitrag Brasilens zum Kampf gegen den Klimawandel distanziert. Andere Akteure, darunter international agierende Konzerne haben dagegen erfreulicherweise angekündigt, sie würden eine Allianz für eine klimafreundliche Landwirtschaft organisieren. Der Verlust von Wäldern solle zunächst halbiert und bis 2030 ganz gestoppt werden - in diesem Bündnis fehlt jedoch (wen wundert es noch?) das waldreiche Brasilien.

      Handeln, um unsere Inseln zu schützen. Keine weiteren Worte!
      (Papua Neu Guinea, © Foto: Peoples Climate)
        • Ban Ki Moon (UN, Generalsekretär):
          "Wir haben uns noch nie solch einer Herausforderung gegenüber gesehen. Die menschlichen, ökonomischen und ökologischen Kosten des Klimawandels werden bald untragbar sein. .. Der Klimawandel bedroht den so hart errungenen Frieden, unseren Wohlstand und die Chancen für Milliarden Menschen. Er ist die prägende Aufgabe unserer Zeit. Unsere Antwort wird die Zukunft entscheiden." Der Klimawandel sei die größte Gefahr in der Geschichte der Menschheit. Der UN-Generalsekretär forderte alle Regierungen auf, bis zur Weltklimakonferenz in Paris, Ende 2015, "ernsthafte Zusagen" zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen vorzulegen.
        • Rajendra Pachauri (UN-Klimarat, Vorsitzender):
          "Unsere Zeit zum Handeln läuft aus." Sollte weiterhin nichts gegen den Klimawandel unternommen werden, dann wären Wasser- und Nahrungsmangel die Folge - und das nicht nur in den ärmsten Ländern!
        • Al Gore (USA, ehemaliger Vizepräsident ):
          "In wenigen Jahren werden 80 Prozent der Menschheit in Gebieten leben, in denen Strom aus Photovoltaik billiger ist als herkömmliche Energie. Dieser Markt boomt. .. Ein Grad Celsius ist der Unterschied zwischen Eis und Wasser. Die nächste Generation lebt in der Welt, über die wir heute entscheiden." Je nachdem, welchen Weg die Weltgemeinschaft jetzt einschlüge, könnten unsere Kinder uns später einmal eine von zwei möglichen Fragen stellen (Zitat): "Wenn wir nichts tun, werden sie uns fragen: Was habt Ihr Euch dabei gedacht? Wir können aber auch dafür sorgen, dass sie fragen: Wir habt Ihr damals den Mut gefunden, den Kurs zu ändern?"
        •  Leonardo DiCaprio (Schauspieler, UN-Sonderbotschafter für den Frieden):
          "Dieses Gremium muss vielleicht mehr als irgendein anderes jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit diese schwierige, aber machbare Aufgabe angehen. Sie können Geschichte schreiben, oder von der Geschichte verteufelt werden. .. Mein Job ist es, Dinge vorzuspielen. Ihrer nicht." Der Klimawandel sei keine rein politische Angelegenheit, sondern die größte Herausforderung der Menschheit. Wenn er sage, dass es um unser Überleben geht, dann spreche er nicht als Schauspieler, sondern als besorgter Bürger. Regierungen und Industrie müssten sofort und weltweit entschiedene und deutliche Maßnahmen treffen. Bisher geschieht jedoch das genaue Gegenteil: In den letzten Jahren  waren "Claims abstecken", "Aussitzen", sowie "Blockieren und Verweigern" die üblichen Strategien der meisten Delegationen auf den Weltklimakonferenzen der Vereinten Nationen. Mit dem Hinweis auf den Unterschied zwischen Film und Realität fand Herr DiCaprio auch für dieses Verhalten eine passende, bildhafte Umschreibung. Die "Märkische Allgemeine" zitiert in einem Bericht vom 23.09.2014 mit den Worten (Zitat): "Ich spiele erfundene Figuren, die erfundene Probleme lösen. Ich glaube, dass die Menschheit den Klimawechsel bisher genau so betrachtet hat."



        "Die menschlichen, ökonomischen und ökologischen Kosten des Klimawandels werden bald untragbar sein."

        Ban Ki Moon (UN, Generalsekretär) 




        (Quellen: Süddeutsche Zeitung vom 23.09.2014, ARD Tagesschau vom 24.09.2014, taz vom 23.09.2014 - Bericht 1 und Bericht 2, Märkische Allgemeine vom 23.09.2014, Deutsche Welle vom 23.09.2014, ZDF Heute vom 23.09.2014, Rettet den Regenwald, Survival International, AVAAZ, Wikipedia )

        Keine Kommentare:

        Kommentar veröffentlichen



        Eigene Meinungen, konstruktive Kritik, Anregungen etc. sind jederzeit willkommen.

        Nettikette
        Bitte achtet auf den »guten« Ton.
        Beschimpfungen und ähnliches werden im Papierkorb veröffentlicht.


        Anonyme Kommentare:
        Wenn ihr "Anonym" bei "Kommentar schreiben als" auswählt, dann lasst mich und die anderen Leser bitte wissen, wer ihr seid.

        Um faire Diskussionen zu gewährleisten, werde ich Kommentare ohne "Identität" in Form einer E-Mail-Adresse, einem Namen oder zumindest einem Nicknamen nicht veröffentlichen!

        Zum Schutz vor Spammern müssen die Kommentare erst von mir freigeschaltet werden. Ich bitte dafür um euer Verständnis.