Dienstag, 15. April 2014

Ein Eingriff großen Ausmaßes ...

... und besonderer Schwere

Man muss sich fragen, wie ernsthaft es den Mitgliedern des NSA Ausschusses, die eine Befragung Herrn Snowdens nicht für notwendig erachten, mit der Aufklärung des NSA-Spionage Skandals ist. Dass Herr Snowden nichts zur Aufklärung beitragen kann, ist eine nicht bewiesene Behauptung, ein offensichtlicher Vorwand, der dafür sorgen soll, dass nur ja nicht allzu pikante Details an die Öffentlichkeit gelangen, mit denen die "guten Beziehungen" zu unseren amerikanischen Freunden belastet werden könnten.

Wenn irgend jemand einen wertvollen Beitrag zu den Details der massenhaften Spionageangriffe der NSA auf deutsche Bürger und Politiker beitragen kann, dann ist das ja wohl Herr Snowden. Schließlich ist er es, der den umfassenden Einblick in die von ihm sichergestellten Daten hat und der den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. Alles das, was wir inzwischen darüber wissen, haben wir ausschließlich ihm zu verdanken.

Für mich sieht es eher danach aus, als würden einige Mitglieder des Ausschusses das "gute Verhältnis" zu den für die fortgesetzten Angriffe Verantwortlichen in der Regierung der USA nicht belasten wollen. Dabei übersehen sie jedoch allzu großzügig, dass von dem "guten Verhältnis" - zumindest in dieser Angelegenheit - schon längst nur noch ein großer Scherbenhaufen übrig ist. Das Vertrauen ist grundlegend gestört. Die Schuld daran trägt nicht die Bundesregierung: Deren hochrangige Mitglieder - bis hin zur Bundeskanzlerin - gehören schließlich selbst zu den Opfern der Spionage-Angriffe der NSA.

Ein Indiz dafür, dass den Mitgliedern der CDU und der CSU im NSA-Ausschuss nicht wirklich an einer lückenlosen Aufklärung gelegen ist, ist der Rücktritt Herrn Binningers (CDU, NSA-Ausschuss, ehemaliger Vorsitzender) gleich zu Beginn der Arbeit des Ausschusses.

Begründet hatte er seinen Rückzug mit Unstimmigkeiten zu einer Vernehmung Herrn Snowdens. Die "Konzentration auf eine Vorladung Herrn Snowdens" lenke von der 'eigentlichen Arbeit' ab. - Ich finde, das war ein netter Versuch, von der notwendigen - aus Sicht der CDU und der CSU offenbar eher unerwünschten - Befragung des 'eigentlichen Zeugen' abzulenken.


Parallelen

Wenn die Mitglieder der CDU, der CSU und der SPD im NSA Ausschuss aber nicht erkennbar für eine lückenlose Aufklärung der NSA-Aktivitäten gegen deutsche Bürger und Politiker sorgen, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis sie ihrerseits das Vertrauen der Bürger verspielt haben. In diesem Zusammenhang ist auch das Ansinnen Herrn de Maizières (CDU, Bundesinnenminister) und seiner Kollegen in den CDU-/CSU-geführten Landesregierungen, an der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung festhalten zu wollen, ein weiteres Indiz dafür, dass die nationale "Umsetzung der EU Richtlinie" zur Vorratsdatenspeicherung immer nur ein willkommener Deckmantel für die Möglichkeit der lückenlosen Überwachung der Bundesbürger seitens des Staates war.

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt die entsprechende EU-Richtlinie zur lückenlosen Speicherung von Kommunikationsdaten als unvereinbar mit europäischen Grundrechten bezeichnet hat, kann sich die Bundesregierung nicht mehr hinter diesem Vorwand verstecken. In seiner Urteilsbegründung hatte der EuGH festgestellt, dass die EU-Richtlinie einen "Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere" in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten beinhaltet, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt.

Darüber hinaus hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 2010 die deutsche Regelung zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung mit einer ähnlichen Begründung gekippt. Da seitdem aber bisher weiterhin der Zwang zur Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht bestanden hatte, hätte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung sich auf eine Neufassung des Gesetzes einigen müssen. Dazu war es jedoch nicht mehr gekommen und der Grund für die Koalitionsvereinbarung der schwarz-roten Bundesregierung, über ein Gesetz zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung zu verhandeln, ist mit dem Urteil des EuGH hinfällig.

Folgerichtig fordern jetzt die Bürgerrechtler aus dem "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" (AK Vorrat) den endgültigen Verzicht auf "diese Form der Massenüberwachung". In einer Mitteilung vom 08.04.2014 zitiert der Arbeitskreis Herrn Jürgensmann (AK Vorrat) mit den Worten (Zitat):
"Vorratsdatenspeicherung ist auch ein wesentlicher Teil der NSA-Spionageprogramme. Die Bundesregierung muss ihre Kräfte jetzt dazu einsetzen, die Menschen im Land vor diesen Angriffen auf ihre fundamentalen Rechte zu schützen, statt ihnen mit der gleichen Form von Überwachung auch noch in den Rücken zu fallen."


Ein Generalangriff von unfassbarem Ausmaß

... womit wir wieder beim Thema wären: Wenn der EuGH die bisherige offizielle, verdachtsunabhängie Speicherung der Kommunikationsdaten als "Verstoß gegen die europäischen Grundrechte" bezeichnet, dann fällt mir eigentlich kein passender Begriff ein, mit dem sich die heimliche, weltumspannende und lückenlose Überwachung der Bürger dieser Welt seitens der NSA auf den Punkt bringen ließe. "Kriminell" klingt da irgendwie noch viel zu harmlos. In Anlehnung an die Formulierung des EuGH im Urteil zur jetzt für ungültig erklärten EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wäre die Umschreibung "permanenter, globaler Generalangriff von unfassbarem Ausmaß und besonderer Schwere" vielleicht schon zutreffender.



"Es wäre unglaublich unverantwortlich, die Spionage der NSA in Deutschland zu untersuchen, ohne den Menschen zu befragen, der mehr darüber weiß als jeder andere auf diesem Planeten. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass nur ein winziger Teil der Dokumente, die er uns gegeben hat, bisher veröffentlicht wurde. Außerdem verfügt er über enorm viele Informationen, weil er fast ein Jahrzehnt in diesem Bereich gearbeitet hat, Informationen, die nicht einmal wir haben. Wer diese Informationen nicht prüft, kann nicht von einer ernsthaften Untersuchung sprechen."

Glenn Greenwald
Journalist und Vertrauter Edward Snowdens
in einem Interview mit der FAZ


(Quellen: Berliner "Tagesspiegel" vom 14.04.2014, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.04.2014, Der Spiegel vom 11.04.2014, Frankfurter Rundschau vom 10.04.2014, AK-Vorrat vom 08.04.2014, Die Zeit vom 08.04.2014, taz vom 08.04.2014)

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