Samstag, 16. Februar 2013

Studie zur Sicherheit des AKW "Grohnde"

Gorleben, November 2011
Der mehrfache Super-GAU am 11.03.2011 in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" (Fukushima Dai-ichi) war gleichzeitig der Anfang vom Ende der von der schwarz-gelben Bundesregierung im Jahr zuvor durchgesetzten "Laufzeit- verlängerung" für die damals in Deutschland noch betriebenen siebzehn Atomkraftwerke.

Auf die "Laufzeitverlängerung" folgte das wespenfarbene "Atommoratorium" und die erneute, dieses Mal als "Atomausstieg" bezeichnete Änderung des Atomgesetzes, der acht der siebzehn deutschen Atomkraftwerke "zum Opfer fielen". Mit dieser von Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) verordneten Beruhigungspille für die aufgebrachte Mehrheit der Bundesbürger - darunter hundertausende, die zuvor ihren Protest gegen die Atompolitik der Bundesregierung immer wieder auf die Straße getragen hatten - änderte sich absolut nichts bezüglich der von den neun weiterhin betriebenen Atomkraftwerken ausgehenden Gefährdung für die Bevölkerung.

Eines dieser neun vom "Atommoratorium" verschont gebliebenen Atomkraftwerke ist das nördlich von Hameln an der Weser gelegene Atomkraftwerk "Grohnde". Gegenüber der im rot-grünen "Atomkonsens" aus dem Jahre 2000 vereinbarten "Restlaufzeit" (bis 2017) wurde dessen Betriebsgenehmigung im Zuge des sogenannten "Atomausstiegs" der wespenfarbenen Bundesregierung um vier Jahre verlängert (bis 31.12.2021).


Nicht mehr genehmigungsfähig

Gegen die "Laufzeitverlängerung" (Berlin, September 2010)
Der im Auftrag der "Regionalkonferenz Grohnde abschalten" von Oda Becker (Dipl. Physikerin, Fachhochschule Hannover) erstellten Studie "Die Schwachstellen des AKW Grohnde" zufolge entspricht keines der neun verbliebenen Atomkraftwerke mehr dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik. Alle neun Atomkraftwerke wären nach 1994 nicht mehr genehmigungsfähig gewesen. Frau Becker bezieht sich diesbezüglich auf die im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 /Die Grünen von Wolfgang Renneberg erstellte Studie "Risiken alter Kernkraftwerke" aus dem Jahre 2010. Darin heißt es auf Seite 3 (Zitat):
.. Legt man eine durchschnittliche Kernschmelzhäufigkeit pro Anlage und Jahr von etwa 1 zu 100.000 zu Grunde, so ergibt sich in einem Zeitraum von 60 Jahren eine Wahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 1 Prozent, dass in dieser Zeit in den deutschen Kernkraftwerken ein Kernschmelzereignis auftritt.

Die Aussage, die deutschen Kernkraftwerke seien für eine Laufzeit von 60 Jahren sicher, bedeutet deshalb nichts anderes als die Akzeptanz auch dieses Risikos. Wer dieses Risiko akzeptiert, geht – bildhaft gesprochen - eine gesellschaftliche Wette ein und riskiert mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 100, dass er verliert. Dieses Risiko zu verlieren ist damit nicht hypothetisch sondern real.

Der Gesetzgeber hatte bereits im Jahre 1994, also zur Zeit einer CDU/FDP Mehrheit im Bundestag, auf dieses Risiko reagiert. Er hatte die Genehmigung von neuen Kernkraftwerken durch die neue Bestimmung des § 7 Abs.2a AtG davon abhängig gemacht, dass die Auswirkungen einer Kernschmelze auf die engste Umgebung des Kraftwerks beschränkt bleiben. ..


Anpassung des Atomgesetzes

Gegen den Atomfilz: Die Atomkonzerne und ihre politischen Handlanger
Die Erkenntnisse aus den Folgen der Super-GAUs in den Atomkraftwerken "Tschernobyl" (Ukraine, April 1986) und "Fukushima" (Japan, März 2011) belegen mehr als deutlich, dass niemand für die Beschränkung der "Auswirkungen einer Kernschmelze auf die engste Umgebung des Kraftwerks" garantieren kann.
  • Das gilt selbstverständlich - ebenso, wie für alle anderen - auch für das Atomkraftwerk "Grohnde".

Wie ernst die derzeitige Bundesregierung die Sicherheitsbedenken der gleichfalls schwarz-gelben Bundesregierung aus dem Jahre 1994 nimmt, belegt ihre Änderung des oben genannten §7 Abs.2a AtG. Dieser lautet heute kurz und bündig: "weggefallen"!

Wenn man sich nun daran erinnert, dass Politiker aus den Reihen der CSU und der CDU noch im Juli 2008 laut über Atomkraftwerksneubauten nachgedacht hatten, dann weiß man auch, warum der §7 Abs.2a AtG gestrichen wurde. Das Deutschlandradio berichtete am 12.07.2008, Herr Huber (CSU, damals Parteivorsitzender) wolle den Atomausstieg im Falle einer gewonnenen Bundestagswahl 2009 sofort neu verhandeln und schließe den Neubau von Atomkraftwerken nicht aus.

Der CDU erschien das Auftreten Herrn Hubers dann wohl doch etwas zu unvorsichtig. Drei Tage später, am 14.07.2008, versuchte Herr Huber das Vorpreschen seiner Partei daher etwas zu relativieren: Ein Neubau von Atomkraftwerken stünde "derzeit nicht zur Debatte" ... - und dabei war es doch gerade erst eine Woche her gewesen, dass Frau Schavan (CDU, ehemalige Bundesministerin für Forschung) gegenüber der Sonntagsausgabe eines bundesweit erscheinenden Boulevarblatts gesagt hatte (Zitat):
"Es geht heute in Deutschland nicht darum, neue Kernkraftwerke zu bauen, aber wer kann sagen, ob das auch noch in zehn Jahren gilt?"

Auch wenn Frau Merkel sich bezüglich des Neubaus von Atomkraftwerken mit Worten gerne zurückhält, so scheute sie doch nicht davor zurück, ausgerechnet Neubau-Befürworter wie beispielsweise Herrn Hirche (FDP) in ihre nach der Atomkatastrophe in Japan geschaffene "Ethikkommission" zu berufen, der sechs Jahre zuvor (damals Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen) noch verkündet hatte:
 "In Deutschland werden in zehn Jahren neue Kernkraftwerke gebaut." 

Nachlesen kann man das im Buch "Die Atomlüge" von Sascha Adamek.


Die Studie: Eine kurze Übersicht

Gegen Transport von MOX-Brennelementen für den Einsatz im AKW "Grohnde"
Die Studie "Die Schwachstellen des AKW Grohnde" setzt sich mit den konkreten Sicherheitsproblemen des Atomkraftwerks "Grohnde" und den daraus resultierenden Gefahren für die Bevölkerung auseinander:
  • Sie legt die Risikofaktoren aus dem Betrieb des Atomkraftwerkes dar.
  • Sie diskutiert die Schwachstellen des Atomkraftwerks anhand der Nachrüstliste des "Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit" (BMU) vom 15.06.2012.
  • Sie hinterfragt die theoretische Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde, mithilfe der BMU Nachrüstliste und des Aktionsplans eine Erhöhung des Sicherheitsniveaus zu veranlassen.
  • Sie erläutert das Risiko eines schweren Unfalls im Atomkraftwerk "Grohnde".

Zusammenfassend zeigt die Studie unter anderem die folgenden Schwachstellen des Atomkraftwerks "Grohnde" auf:
  • Das Atomkraftwerk ist nicht ausreichend gegen Erdbeben und Hochwasser geschützt.
  • Ein unabhängiges Kühlsystem für das Brennelemente-Lagerbecken muss installiert werden
  • Für einen sicheren Betrieb im Rahmen der technischen Möglichkeiten sind die Verbesserung der Betriebsorganisation sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifikation des Personals erforderlich.
  • Die Verbesserung der anlageninternen Notfallschutz Maßnahmen ist dringend erforderlich, damit im Falle eines schweren Unfalls zumindest die Möglichkeit besteht, eine Katastrophe zu verhindern bzw. deren Auswirkungen zu mindern.
  • Aufgrund der langen Betriebszeit bis Ende 2021 wird Alterung ein zunehmendes Problem werden.  Die Kriterien und Intervalle für Kontollen, Sicherheitsüberprüfungen etc. müssen dementsprechend laufend aktualisiert werden.
  • Die Durchführbarkeit und die Funktionsfähigkeit der Notfallschutzmaßnahmen, sind nicht gewährleistet. Hohe radioaktive Freisetzungen sind daher möglich.
  • Die Katastrophenschutzpläne sind nicht ausreichend auf einen schweren Unfall vorbereitet: Das Risiko, das für die Bevölkerung vom AKW Grohnde ausgeht, ist hoch.
  • ...

    Die komplette Studie hat das  "Aktionsbündnis Grohnde abschalten" auf seiner Internetseite veröffentlicht (siehe unten, "Zum Weiterlesen"). In einer Pressemitteilung vom 16.01.2013 weist das Aktionsbündnis inbesondere darauf hin, dass das Atomkraftwerk "Grohnde" mit 231 meldepflichtigen Ereignissen die größte Anzahl aller Störfälle aller derzeit in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke aufweist. Anforderungen, die das BMU seit 2010 in einer Nachrüstliste zusammengestellt hat, seien bis heute nicht erfüllt worden.

    Informationen über weitere Sicherheitslücken und Risiken, sowie eine Liste mit Informationen über wesentliche Störfälle im Atomkraftwerk "Grohnde" hat das Aktionsbündnis auf seiner Internetseite zusammengestellt.


    Atomkraft abschalten vor dem Super-GAU

    Für die Energiewende (Brockdorf, Fukushima-Jahrestag 2012)
    Während Frau Merkel unter dem Schock des Super-GAUs in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" im März 2011 ihr "Atommoratorium" verkündete und nach der anschließenden Beerdigung ihrer "Laufzeitverlängerung" nun ihren sogenannten "Atomausstieg" und die "Energiewende" propagierte, werkeln atomsüchtige Politiker aus dem Wespenlager im Hintergrund bereits eifrig an der Demontage des "Erneuerbare Energien Gesetzes" (EEG) und an der Sabotage der "Energiewende Wende". Sollte ihnen das gelingen, dann hätten sie damit die Grundlage für die Durchsetzung der Verlängerung von Betriebsgenehmigungen für die deutschen Atommeiler über das Jahr 2022 hinaus geschaffen.

    Um das zu verhindern werde ich am Samstag, 9. März, meinen Protest gegen diese Politik - gemeinsam mit tausenden anderen Atomkraftgegenern - wieder einmal auf die Straße tragen. Wir wehren uns dagegen, dass uns - mindestens noch bis 2022 - eine "gesellschaftliche Wette" aufgezwungen wird, "die wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 100 verlieren" könnten. Ich werde mich zu diesem Zweck an der Demonstration der Auswirkungen einer Atomkatastrophe im Atomkraftwerk "Grohnde" beteiligen:
    • Aus Anlass des 2. Fukushima-Jahrestages ruft das "Aktionsbündnis Grohnde Abschaltnen" für Samstag, den 9. März 2013, zu einer Aktions- und Menschenkette rund um das Atomkraftwerk Grohnde auf. Mit vielen Aktionen und der Beteiligung vieler Menschen soll im Abstand von etwa 40 km rund um das Atomkraftwerk gezeigt werden, welches Ausmaß eine Katastrophe wie Fukushima in Deutschland haben könnte. Verbunden damit ist die Forderung zur Stilllegung der noch laufenden Atomanlagen in Deutschland.

      - Bevor es in Deutschland zu einem Super-GAU kommt! -

    Details zur Demonstration rund um das Atomkraftwerk "Grohnde", sowie Informationen zu den anderen für den 09.03.2013 bundesweit geplanten Großdemonstrationen gegen die schwarz-gelbe Atompolitik, gibt es hier.


    Zum Weiterlesen:


    Anti-Atom-Demos am 9.03.2013


    (Quellen: Aktionsbündnis Grohnde abschalten - Pressemitteilung vom 16.01.2013, Deutschlandfunk vom  12.07.2008, Spiegel vom 07.07.2008, Aktionsbündnis Grohnde abschalten, O. Becker - "Die Schwachstellen des AKW Grohnde", W. Renneberg - "Risiken alter Kernkraftwerke", Deutsche Nationalbibliothek, Hompage von Sascha Adamek)

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