Dienstag, 15. Mai 2012

Bremerhavens Kampf gegen Immobilienspekulanten

Auf Verwahrlosung und Verfall folgt Abriss (Potsdamer Str. 10 im November 2009)
Um das Problem der Immobilienspekulation und deren Folgen in den Griff zu bekommen, kämpft die Stadt Bremerhaven für ein neues Bundesgesetz. Alle rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten werden hier bereits konsequent angewendet. Anhand eines Vorkaufsortsgesetzes für bestimmte verwahrloste Immobilien hat sich die Stadt darüberhinaus den Zugriff gesichert, um die Objekte aus dem Teufelskreis der Spekulation zu entfernen.

Damit wird den Spekulanten das Leben zwar bereits jetzt schon so schwer wie möglich gemacht, aber mit Sicht auf die Erhaltung des Stadtbilds und den Schutz gewachsener Strukturen setzen diese Maßnahmen aus meiner Sicht viel zu spät an. In letzter Konsequenz bedeutet der Erwerb verwahrloster Immobilien durch die Stadt bisher in der Regel, dass der Abrissbagger den verfallenden Gebäuden den Rest gibt.

Verheerend wirkt sich diese Folge der Machenschaften der Immobilienspekulanten aus, wenn es sich, wie im Falle des Leher Ortsteils Goethestraße, um das einzige Quartier der Stadt handelt, das die Bombenangriffe im Kriegsjahr 1944 großflächig mehr oder weniger unbeschädigt überstanden hat. Hier gibt es den größten Bestand erhalten gebliebener zusammenhängender Blockrandbebauungen aus der Gründerzeit mit ihren charakteristischen Schmuckfassaden.

Darüberhinaus steht eine Große Anzahl dieser Häuser im Leher Gründerzeitquartier unter Denkmalschutz. Wenn der Verfall verwahrloster Gebäude weiterhin so weit fortschreiten kann, bis sie nicht mehr zu retten sind, dann werden immer mehr Abrisslücken in den Blockrändern zurückbeiben. Das heutige historische Stadtbild des Gründerzeitviertels wird es dann irgendwann möglicherweise nicht mehr geben.

Die Nordsee-Zeitung eröffnete in ihrer Ausgabe vom 10.05.2012 einen Bericht über die Bemühungen der Stadt um ein neues Bundesgesetz mit einem Fragenkatalog (Zitat):
  • Wann ist ein Haus abbruchreif?
  • Erst dann, wenn es buchstäblich in sich zusammenbricht oder schon vorher?
  • Und wer sollte den Abriss bezahlen?
  • Der Eigentümer, der es verkommen ließ, oder der Steuerzahler?

Wenn die Frage, wann ein Haus abbruchreif ist, in einem neuen Bundesgesetz dazu führen würde, dass den Kommunen und ihren Behörden damit die Mittel in die Hand gegeben würden, um so rechtzeitig und wirkungsvoll eingreifen zu können, dass ein von der Verwahrlosung bedrohtes Gebäude zumindest vor dem Verfall und dem dann unweigerlichen Abriss bewahrt werden kann, dann wäre das ein wirklicher Fortschritt. Wenn es aber, wie sich aus dem Fragenkatalog der Nordsee-Zeitung schließen lässt, lediglich darum geht, bereits abgängige Gebäude früher abreißen zu können als bisher, dann wäre aus meiner Sicht - abgesehen davon, dass die Spekulantenketten kürzer werden und das ein Anderer der Dumme ist, der den Schaden hat - so gut wie nichts gewonnen.

Auch im Folgenden geht es im Bericht der Nordsee-Zeitung im Wesentlichen darum, dass der letzte Eigentümer, der auf einem vermeintlichen Schnäppchen sitzengeblieben ist, für die Abrisskosten zur Kasse gebeten wird. Der Deutsche Städtetag, der Städte- und Gemeindebund und der Verband der Deutschen Bauindustrie unterstütze den Vorschlag der Stadt Bremerhaven, Unbelehrbaren eine Kostenbeteiligung aufzuerlegen. Der Inhalt des gesamten Artikel ist auf der Internetseite der Nordsee-Zeitung nachzulesen.

Nach den Häusern in der Heinrichstraße 40, der Bremerhavener Straße 3 und den Häusern in der Stormstraße 44 und 49 entsteht mit dem gerade begonnenden Abriss des Eckhauses Potsdamer Straße 10 nun die nächste Abrisslücke in einer gründerzeitlich geprägten Blockrandbebauung. Bereits bevor im Jahre 2006 mit dem Abriss der Deichschule auf dem Gelände des heutigen Stadtteilplatzes "Pausenhof Lehe" begonnen wurde, war das Gebäude mit der Jugendstilfassade auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Lutherstraße unbewohnt. Hätte es damals ein Gesetz gegeben, mit dem der Eigentümer zu wirksamen Instandhaltungsmaßnahmen hätte verpflichtet können, oder falls er dazu nicht fähig oder bereit gewesen wäre, das Haus zum Verkehrswert an jemanden zu verkaufen, der es instand gesetzt und vermietet hätte, dann hätte es heute wohl nicht abgerissen werden müssen.

  • Eigentum verpflichtet:
    Im Schlussteil des Berichts in der Nordsee-Zeitung heißt es, Herr Ramsauer (CSU, Bundesbauminister) könnte möglicherweise den Schutz des Eigentums höher bewerten, als die aus der angestrebten Gesetzesänderung resultierenden Vorteile für die Kommunen. Bei einem in der Offentlichkeit stehenden Gebäude - zumal, wenn es sich um einen Bestandteil des Stadtbilds eines historisch gewachsenen Viertels handelt - betrifft neben den Eigentumsrechten des Eigentümers aber immer auch die Interessen der Öffentlichkeit. Von meinen Großeltern und Eltern habe ich vor langer Zeit gelernt, dass Eigentum verpflichtet: Wer nicht mehr in der Lage oder Willens ist, seine Immobilie instand zu halten, der sollte sich von seinem Eigentum trennen und es an jemandem übergeben, der es Wert zu schätzen weiß - und zwar bevor es zu spät ist.

(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 10.05.2012, Stadtplanungsamt Bremerhaven)

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